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LUPO MARTINI - Tradition und Gegenwart

USI Lupo Martini Wolfsburg e.V.

1962 gegründet, ist er der älteste von Gastarbeitern in Deutschland gegründete Verein.

 

Giovanni Carboni

Präsident des Vereins

Von ihm darauf angesprochen, dass er sich Fotos für die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins wünscht, wurde die Idee geboren, Tradition und Gegenwart zusammenzubringen.

Bei LUPO handelt es sich um den Verein, in dem die ersten Italiener, die vor nunmehr 60 Jahren in unsere Stadt gekommen und inzwischen fester Bestandteil der Stadtgesellschaft sind, eine Art Heimat in der Fremde (damals noch) gefunden haben.

Viele Italiener der ersten Zeit, die am Aufbau von Wolfsburg mitgearbeitet haben, treffen sich heute regelmäßig in der AZZURRI BAR.

Warum also nicht die jungen Spieler der 1. Mannschaft mit den Italienern der 1. Generation zusammenbringen.

 
 

Nach dem gemeinsamen Kartenspielen kommen sich die Generationen noch beim Tischkicker näher

 
 

An der Volkswagen Arena erinnern historische Bilder an die Anfänge des Fussballs an dieser Stelle - mit LUPO Martini

 

Der Ehrenpräsident Armando erinnert sich:

Lupo, anema e core – Lupo, mein ein und alles

Unser Spielfeld, wo wir Fußball spielten, befand sich innerhalb des großen Feldes von Berliner Brücke. Genau da, wo heute das Stadion ist, die Volkswagen-Arena. Da wurde die italienische Fußballmannschaft Wolfsburgs geboren. Und weil „Wolfsburg“ auf Italienisch in etwa „Rocca del lupo“ hieße, haben wir beschlossen, uns auch „Lupo“ zu nennen. Nicht der Wolf von der Burg, sondern der „Wolf der Baracken“ – der Baracken im Italienerlager.

Wir haben schon 1962 angefangen, erzählt Armando weiter, der heute Ehrenpräsident von Lupo ist. Gleich, als alles begann. Wie es ganz normal ist, wurde Fußball gespielt und Mannschaften gebildet: die aus Venetien, die Sizilianer, die Neapolitaner. Und es gab Spiele, Turniere, interne Meisterschaften, bei denen Spieler für Lupo ausgesucht wurden. Weil für uns Lupo wie unsere Nationalmannschaft war. Besser, die Italiener toben ihre Manneskraft beim Fußball aus, statt hinter den deutschen Frauen her zu sein, soll der Chef des Personal- und Sozialbüros von Volkswagen gesagt haben. Der übrigens auch im Vorstand des Niedersächsischen Fußballverbandes saß und dazu beigetragen hat, dass dessen Satzung geändert wurde. Damals gab es nämlich die sogenannte „Ausländerklausel“. Wir konnten nicht bei der deutschen Meisterschaft mitspielen, weil es nicht erlaubt war, dass eine Mannschaft mehr als einen ausländischen Spieler hatte. Die Klausel wurde abgeschafft und wir waren die erste Ausländer-Fußballmannschaft in Deutschland, Amateure natürlich. Später haben auch andere Verbände die Satzungen geändert, aber Niedersachsen und wir waren die ersten.

Wir hatten mehr Zuschauer als jede andere Mannschaft in der Region. Man bezahlte 50 Pfennig Eintritt, um das Spiel zu sehen, und wir waren alle da. Was hätten wir auch sonst am Sonntag tun sollen? Die Deutschen hatten sogar Angst, wenn sie bei uns im Barackendorf spielen mussten, oder vielleicht sollte ich besser sagen, im eingezäunten Ghetto. Denn es ist alles mögliche passiert, das muss man schon sagen. Aber wir wurden auch oft ungerecht behandelt, und auch das darf man nicht vergessen. Damals konnte man sicher sein, wenn wir ein Foul begingen, gab es sofort die Gelbe Karte. Ein Deutscher dagegen wurde für das gleiche Foul nur mündlich verwarnt.

Vielleicht nicht mehr so oft wie damals, aber das passiert manchmal auch heute noch, kommentiert Francisco, Trainer der Mannschaft, die seit 1981 offiziell Lupo-Martini heißt. 1970 wurde in Wolfsburg nämlich eine zweite italienische Mannschaft gegründet und nach einem Jahrzehnt großer Rivalität haben die beiden Mannschaften fusioniert.

Bevor ich 1988 zu Lupo kam, erzählt Francisco weiter, hatte ich in einer deutschen Mannschaft gespielt. Bis dahin hatte ich mich niemals als Italiener in Wolfsburg gefühlt. Ich bin hier geboren; mein Vater ist Italiener und meine Mutter Spanierin. Vielleicht haben wir Italiener uns daran gewöhnt, dass wir uns immer im Nachteil fühlen, auch wenn es im allgemeinen keinen Grund mehr dafür gibt. Aber es stimmt, dass wir beim Fußball immer noch hin und wieder anders behandelt werden. Wir als Mannschaft, denn heute haben wir Fußballer vieler verschiedener Nationalitäten. Inzwischen sind wir tatsächlich ein Verein wie alle anderen, wir sind international geworden. Unsere Sprache ist heute Deutsch, auch wenn einige Spieler untereinander Italienisch sprechen. Natürlich sind wir noch immer wichtig für die Italiener hier, aber nicht nur für sie. Wir haben eine hervorragende Jugendmannschaft und wir wachsen. Und ich glaube, wir haben auch die Verantwortung dafür, dass die jungen Leute Sport treiben, und zwar richtig, damit sie nicht auf der Straße landen. In diesem Sinn ist Lupo im Vergleich mit anderen Vereinen beispielhaft.

Es ist ein lichtdurchfluteter später Nachmittag im Mai beim Verein Lupo-Martini, der seit vielen Jahren nicht mehr in den Baracken sesshaft ist, sondern seinen Sitz und ein schönes Spielfeld in der Nähe der Deutsch-Italienischen Schule Wolfsburgs hat. Francisco steht auf und geht zum Training mit seiner Mannschaft. Ich plaudere weiter mit Armando und Angelo, einem früheren Spieler und Trainer und heutigem Vorstandsmitglied des Klubs.

Es stimmt schon, dass wir uns in der Vergangenheit so einiges geleistet haben, wenn Mannschaften kamen, um mit uns im Ghetto zu spielen, erzählt Armando. Sein schneeweißer Schnurrbart glänzt in der Sonne und die Stimme scheint bei jeder Erwähnung der Vergangenheit vergnügt Anlauf zu nehmen. Leute, die einfach aufs Spielfeld liefen, Schiedsrichter, die die Flucht ergriffen. Das war normal. Für uns war ein Sieg eine persönliche Angelegenheit, eine Revanche. Und oft genug endete alles vor dem Sportgericht. Ich war immer als Übersetzer dabei. Was wurde da geschwindelt! Es gibt kein anderes Gericht, wo so viel gelogen wird wie vor dem Sportgericht, sagt Armando kichernd. Und wie oft gab es nach dem Spiel eine Rauferei.

Es gab noch sehr viel Hass bis zu den Siebzigern und Achtziger Jahren, Ressentiments auf beiden Seiten, bestätigt Angelo. Aber man muss auch sagen, dass wir durch den Sport mit der Zeit gute Integrationsarbeit geleistet haben. Heute spielen bei Lupo nicht nur Italiener, sondern auch Deutsche, Rumänen, Russlanddeutsche, Polen, Tunesier und derzeit sogar ein Ghanaer. Und die Deutschen, wenn sie erst einmal bei uns sind, wollen nicht mehr weggehen. Denn unser Spiel hat ein gutes Niveau, und obwohl wir professionell arbeiten, ist die Atmosphäre bei uns sehr familiär. Und Francisco ist ein hervorragender Trainer; er hat ein einzigartiges Charisma.

Heute spricht man Deutsch bei Lupo. Also, frage ich Armando und Angelo, was ist noch italienisch bei Lupo?

Italienisch? Na ja, antwortet Angelo, die Vereinshymne, zum Beispiel. Ich bin nämlich ein bisschen verrückt und fahre immer mit der Mannschaft mit... Unsere „Nationalhymne“ ist ‘o surdato ‘nnamorato, der verliebte Soldat, ein weltbekanntes Lied aus Neapel. Mit einer kleinen Variante. Willst du es hören?

Si’ sicura ‘e chist’ammore, comm’i so sicuro ‘e te…

(Sei meiner Liebe sicher, so wie ich deiner sicher bin)

Und bis dahin ist es noch das Original. Aber dann geht es so weiter:

Oje vita, oje vita mia

Oje Lupo, oje Lupo mio…

(Oh, mein Leben, oh mein Leben

Oh, mein Lupo, oh, mein Lupo)

Jedes Mal, wenn wir gewinnen, rufen sie mich: Angelo, komm her, du musst sie in Stimmung bringen. Und ich fange an zu singen und sie, die Spieler, fallen ein und singen mit und tanzen. Ja, das ist geblieben, das gibt es noch. Und sie haben alle gelernt, ‘o calciatore ‘nnamurato zu singen. Ganz original im neapolitanischen Dialekt, aber mit deutschem, rumänischem, polnischem Akzent. Mit all den Akzenten, die wir in der Mannschaft haben. Und es ist wunderschön, dieses exotische Neapolitanisch zu hören.

Und dann habe ich noch einen anderen Traum. Bevor ich als Vorstandsmitglied dieses Vereins aufhöre, hoffe ich, dass es mir gelingt, eine Tribüne bauen zu lassen. Und darauf möchte ich im Dialekt von Neapel schreiben lassen: Lupo, Lupo, anema e core, Lupo, Lupo, mein ein und alles.


 

Vielen Dank an alle, die bei dieser tollen Aktion mitgewirkt haben - die Spielen und Betreuern der 1. Mannschaft von LUPO, und auch den Betreibern und Gästen der AZZURRI Bar.

Hans-Dieter Brand3 Comments